Warum Interkulturelle Kommunikation ?

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Warum soll man sich überhaupt mit interkultureller Kommunikation befassen? In den Zeiten der Globalisierung scheinen doch immerhin die Unterschiede zwischen den Kulturen zunehmend zu verschwinden. Von Madrid bis nach Moskau, von Lissabon bis Lima gibt es, so sagen zumindest einige Kulturforscher, eine zunehmend einheitliche Kultur - grob gesagt die Amerikanische.

Diese Aussage ist auf den ersten Blick auch nicht direkt falsch: In London werden heute wahrscheinlich mehr indische Gerichte gegessen als Fisch und Chips, und das Fernsehprogramm besteht überwiegend aus amerikanischen Produktionen. Doch obwohl man durchaus von einer Vielzahl kultureller Einflüsse sprechen kann, sind und bleiben Engländer immer noch englisch - und auch noch so viel Verzehr von Dolmio Spaghetti Sauce macht aus dem Cockney [Gebürtiger Ost-Londoner] keinen Italiener [der Werbeslogan von Dolmio ist "Bringt den Italiener in dir heraus" in Großbritannien].

Was wir also sehen ist nicht, wie vielfach fälschlich angenommen, ein Verschwinden der lokalen Kultur - sondern viel mehr eine Veränderung der Verhaltensweisen im Rahmen der Kultur. Dazu ein Beispiel: In Italien ist die Familie ausgesprochen wichtig, das Essen findet zum großen Teil innerhalb des Familienverbandes statt, und erfüllt eine soziale Funktion innerhalb der Familienstruktur. In Großbritannien insbesondere die soziale Funktion des Essens nicht kulturell verankert, das Essen findet vielfach alleine oder nur mit der unmittelbaren Familie statt. Der Satz "Das Essen ist im Kühlschrank" und die überall verkauften TV Dinners [Einzelportionen die schnell vor dem Fernsehen gegessen werden können] sind alltägliche Begriffe in der angelsächsischen Welt.

Wenn nun die Briten auch mit Vorliebe "italienisch" Essen, so bezieht sich das nur auf die Speise selber - nicht jedoch auf Ihren Umgang mit dem Essen, bzw. der sozi-kulturellen Funktion des Essens. Sie binden also das italienische Essen in ihre eigene kulturelle Umgebung ein - und interpretieren das Essen unterschiedlich: Es ist schnell zuzubereiten, einfach und billig. Die italienische Funktion des Essens, nämlich die soziale Komponente, spielt keinerlei Rolle.

Dieses Phänomen liegt unter anderem an der Vielschichtigkeit der Kultur - die Verhaltensweisen sind nur eine Interpretation der darunter liegenden Werte. Und genau diese Unterschiede in den Werten, die oftmals für den oberflächlichen Betrachter kaum ersichtlich sind, sind die Forschungsschwerpunkte im Fachbereich interkulturelle Kommunikation. Diese Werte sind vereinheitlicht und erlernt von Kindesbeinen an - und relativ konstant innerhalb von einer kultureller Gruppe. Wir haben gelernt mit diesen Werten umzugehen, ohne diese auch nur wahrzunehmen - weil es einfach so ist. Wir beurteilen die Welt, und andere Personen unter Heranziehung dieser Werte - und interpretieren das Verhalten anderer als Interpretation und Ausdruck der darunter liegenden Wert.

Ein weiteres Beispiel zu diesem Thema. In Deutschland ist es nicht üblich Kartoffeln mit dem Messer zu schneiden. Dies mag auf einer historischen Tradition beruhen, ist allerdings heute nicht mehr zutreffend - das Messer trägt keinen Schaden davon wenn man Kartoffeln mit der Klinge schneidet. Das Zerteilen von Kartoffeln mit der Gabel ist in Deutschland ein Zeichen "guter Kinderstube" - und zeigt, daß man weis sich zu benehmen. Es ist also ein Ausdruck für den Wert des "Sich-Gut-Benehemens". Wer eine Kartoffel mit dem Messer zerteilt, hat keine gute Erziehung, und weiß sich nicht zu benehmen. Einem Ausländer ist dieses Verhalten, und die damit verbundene Werteinstellung, natürlich nicht notwendigerweise bekannt. Schneidet der, sagen wir z.B., Engländer nun also seine Kartoffel in Deutschland, so kann er, unbewußt, bei seinen Tischpartnern den Eindruck einer schlechten Erziehung hervorrufen. Eben weil diese die Verhaltensweise unbewusst als Ausdruck des Wertes verstehen und interpretieren. Amüsanterweise ist es wahrscheinlich, daß das Zerteilen der Kartoffeln mit dem Messer bei dem Engländer genau die gleiche Interpretation von fehlender Erziehung seiner Tischpartner zur Folge hat - da in England die Gabel niemals gewendet wird.

Natürlich sind die hier angebrachten Beispiele fast schon banal - zumindest wenn wir uns diese verdeutlichen. Jedoch kommen natürlich bei einer zwischenkulturellen Begegnung nicht nur eine alleinige Verhaltensweise zum Ausdruck - sondern eine Vielzahl von oftmals verwirrenden Eindrücken, Reaktionen und Verhaltensweisen. Diese zusammen können zu einem wahren Wirrwarr an Gefühlen und emotionalen Reaktionen auf beiden Seiten führen.

Gerade in unserer Zeit lassen sich allerdings zwischenkulturelle Begnungen nur noch schwer vermeiden. Nicht nur einmal sind wichtige Verhandlungen an kulturellen Unterschieden gescheitert, Fusionen von Unternehmen sind in unnötige Schwierigkeiten geraten, und ein wirtschaftlicher Schaden von großen Ausmaßen ist entstanden: So wird z.B. angenommen, daß rund 50% aller amerikanischen Manager im Ausland ihre Aufgabe auf Grund kultureller Unterschiede nicht, oder nur unzureichend erfüllen.

Auch in politischen und sozialen Krisen kann die interkulturelle Kommunikation einen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten. In einem grundlegenden Artikel zu diesem Thema hat erst kürzlich Maureen Guirdham, von der Universität Westminster, dieses ausdrucksstark verdeutlicht.

Aber auch im privaten Bereich kann eine systematische Erforschung - und Verdeutlichung - von kulturellen Unterschieden unsere Akzeptanz des "Anderen" fördern - und somit nicht ist das Studium interkultureller Kommunikation nicht nur für den wirtschaftlichen Bereich interessant. Auch das Zusammenleben mit Angehörigen anderer Kulturen wird durch das systematische Studium um einiges erleichtert.

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Übersetzt aus dem Englischen. Originalfassung:
Dahl, Stephan (2000)
"Introduction to Intercultural Communication", in Dahl, Stephan "Intercultural Skills for Business", ECE, London.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

 

 

 


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